So lautet das Motto der diesjährigen Veranstaltung der HEIPER (Heidelberger Initiative Psychiatrie Erfahrener) anlässlich des diesjährigen Welttages der seelischen Gesundheit.
2020 jährt sich die Psychiatrie Enquete des Deutschen Bundestages zum 45ten mal.
Darin wurde die damals katastrophale Lage der Versorgung psychisch Kranker angeprangert. Der Bericht der Enquete-Kommission gab Impulse für umfangreiche Reformen und Verbesserungen in den folgenden Jahrzehnten bei der Behandlung von psychisch erkrankten Menschen. So wurde etwa die gemeindenahe Versorgung aufgebaut. Ambulante Dienste eingerichtet oder die Verweildauer in den psychiatrischen Krankenhäusern deutlich reduziert.
Trotz aller Fortschritte gibt es immer noch viele Missstände:
Häufig erfolgt die Aufnahme, unabhängig vom Krankheitsbild, grundsätzlich auf eine geschlossene Station. Dort sind teilweise bis zu 30 Patienten untergebracht. Die Patienten werden dort verwahrt. Tagesstrukturierende Maßnahmen und Therapien werden kaum angeboten. Es gibt immer noch zu viel Zwang und Gewalt.
Es fehlt deutlich an ausreichendem Personal und das Personal ist schlecht auf seine Aufgaben vorbereitet. Es fehlt auch an guter Supervision, das alles hat zur Folge, dass es immer noch zu vielen gewalttätigen Übergriffen kommt. Es wird auch immer noch viel zu viel fixiert, teilweise als disziplinarische Erziehungsmaßnahme, was wir entschieden ablehnen. Es geht aber auch anders, wie etwa die Husemannklinik in Buchenbach zeigt, welche im Jahr 2018 mit einer einzigen Fixierung auskam. Auch in der Psychiatrie Heidenheim wurde nur im geringen Umfang fixiert.
Ebenso müssen mehr ehemalige Betroffene mit Qualifizierung als EX-IN-Genesungsbegleiter zum Einsatz kommen. Dort wo EX-IN-Genesungsbegleiter im Einsatz sind, wurden bereits gute Erfahrungen gesammelt, denn mit Ihrem Erfahrungswissen, als ehemals Kranke, stellen sie eine wertvolle Ergänzung zu den professionellen Helfern mit ihrem Expertenwissen dar.
In der Region werden Ex-In-Begleiter nur stundenweise beschäftigt. Es müssten mehr Ex-IN-Genesungsbegleiter auch in Vollzeit sozialversicherungspflichtig angestellt werden.
Was sich deutlich verbessert hat in der Psychiatrie, ist die Gabe von Medikamenten, hier ist man deutlich moderater und füllt die Patienten nicht mehr so ab wie vor 10 Jahren. Hingegen erlebt die Elektroschocktherapie eine große Renaissance. Die EKT (Elektro-Konvulsions-Therapie), wie man sie jetzt nennt, kommt bei fast allen psychiatrischen Krankheitsbildern zum Einsatz. Obwohl große Bedenken und Ängste seitens der Patienten bestehen, versuchen die Ärzte mit allen Mitteln, sie zu einer EKT zu überreden.
Eine wesentliche Ursache für die Missstände in der Psychiatrie ist, die von der Politik in den letzten Jahrzehnten forcierte Ökonomisierung des Gesundheitswesens und der daraus folgende Kostendruck und die Einsparungen zu Lasten der Patienten. Nicht der Profit, sondern das Wohl der Patienten muss im Vordergrund stehen!
Zu unserer Veranstaltung haben wir daher Ärzte der beiden großen psychiatrischen Krankenhäuser in der Region, der psychiatrischen Universitätsklinik Heidelberg (Prof. Dr. Robert Christian Wolf) und dem psychiatrischen Zentrum Nordbaden (Chefarzt Prof. Dr. Markus Schwarz) zusammen mit Personen, die in der Bundesrepublik bereits in Ihren Einrichtungen sehr fortschrittliche Konzepte verwirklichen, eingeladen. Diese sind: Dr. Volkmar Aderhold (Institut für Sozialpsychiatrie der Uni Greifswald), Martin Urban (Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen), Markus Weiter (Betroffener und Sozialarbeiter EUTB Darmstadt) sowie Dr. Zinkler (Psychiatrie Heidenheim).
Umrahmt wird diese Podiumsdiskussion mit Gedichten des Poeten und Verseschmieds Frank G. Weiser und Kabarett-Szenen von Annette Willhelm.
Die Veranstaltung findet am Mittwoch, den 16. Oktober 2019, um 19:00 Uhr, im Forum am Park, Poststr. 11, Heidelberg-Bergheim, statt. Dank der freundlichen Unterstützung durch die AOK-Rhein-Neckar-Odenwald, ist der Eintritt frei!
Downloads:
Flyer 16.10.2019 Zeit für einen neuen Aufbruch (PDF)
Pressetext 16.10.2019 Zeit für einen neuen Aufbruch (PDF)